Evaluation von Farbgebungen und illustrativen Techniken für medizinische Visualisierungen

Bachelorarbeit von Nils Timm

Motivation

Bildgebende medizinische Verfahren, wie die Computertomographie ermöglichen es, anatomische Strukturen oder biochemische Prozesse von Patienten als Volumendaten zu erfassen. Diese Daten sind eine Quelle für eine Vielzahl patientenindividueller Informationen, wie beispielsweise pathologische Gewebeveränderungen oder Stoffwechselvorgänge. Sie bilden die Grundlage für neuartige, nicht-invasive Methoden, im klinischen Alltag Diagnosen zu treffen und Behandlungsschritte zu planen. Dazu ist es jedoch notwendig, die Volumendaten in einer geeigneten Weise visuell aufzubereiten. Benötigt wird eine Darstellungsform, die eine sichere Interpretation seitens des behandelnden Arztes zulässt und diesen somit effektiv in seiner Arbeit unterstützt.

Eine entsprechende medizinische Visualisierung hat die Aufgabe, die für ein konkretes medizinisches Anwendungsgebiet relevanten Gewebestrukturen eindeutig und schnell erfassbar darzustellen und dem Betrachter auch benötigte metrische Informationen zu vermitteln. Ein Beispiel hierfür ist die Planung eines chirurgischen Eingriffs zu Entfernung eines Tumors. In diesem Fall gehören zu den relevanten Strukturen der Tumor selbst, umliegendes Gewebe, welches möglicherweise vom Tumor infiltriert wurde und Gewebe das während einer OP in keinem Fall verletzt werden darf. Zudem sind metrische Informationen, wie die Ausmaße des Tumors und die Abstände zu benachbartem Gewebe von Wichtigkeit.

Die Computergrafik bietet umfassende Möglichkeiten, anhand von Volumendaten dreidimensionale Repräsentationen der Anatomie eines Patienten zu generieren. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, bei der Wahl der Darstellungstechniken Aspekte der Wahrnehmung zu berücksichtigen und zudem existierende Konventionen aus dem medizinischen Bereich einzuhalten, die sich beispielsweise bei Abbildungen in anatomischen Atlanten etabliert haben. So lassen sich medizinische Visualisierungen erzeugen, die relevante Informationen effektiv vermitteln und durch das Aufgreifen vertrauter Darstellungsformen ein einfaches und sicheres Interpretieren dieser Informationen durch den Arzt ermöglichen.

Zielsetzung

Ziel dieser Studienarbeit war es, durch eine Recherche im Bereich der medizinischen Illustration in anatomischen Atlanten geeignete Farbgebungskonzepte und Darstellungstechniken für den Einsatz in medizinischen Visualisierungen zu evaluieren. Unter Berücksichtigung von Aspekten der Bildwahrnehmung wurde analysiert, inwiefern sich mittels der dort verwendeten Techniken medizinische Informationen effektiv vermitteln lassen. Hierbei war es von besonderem Interesse herauszufinden, wie sich durch das visuelle Attribut Farbe eine schnelle und eindeutige Identifikation und Differenzierbarkeit verschiedener Gewebetypen unterstützen lässt.

Des Weiteren wurden bereits existierende medizinische Visualisierungen im Hinblick auf die eingesetzten Techniken zur Darstellung metrischer Informationen, wie Abstände oder Ausmaße, betrachtet. Auf Basis der durchgeführten Evaluation wurde ein Konzept zur sinnvollen Gestaltung medizinischer Visualisierungen in Abhängigkeit eines konkreten Anwendungsgebiets erstellt. Abschließend wurden für die in der in der Arbeitsgruppe Domik entwickelte Visualisierungssoftware Volume Studio geeignete Farbgebungskonzepte umgesetzt, die ein effektives und koordiniertes Arbeiten mit geladenen Volumendatensätzen ermöglichen.

Realisierung

Das Volume Studio ist eine Visualisierungssoftware, die es erlaubt, medizinische Volumendatensätze zu laden und darin gewisse Bereiche mittels einer zweidimensionalen Transferfunktion manuell zu klassifizieren. Konkret bedeutet dies eine Zuordnung von Farb- und Transparenzwerten zu Datenwerten, so dass sich Gewebestrukturen innerhalb eines Datensatzes entsprechend farbig darstellen lassen (Vergleiche dazu die Diplomarbeit von Michael Schwier).

Im Rahmen dieser Arbeit ist für das Volume Studio das Konzept so genannter Farbschemata für Volumendatensätze realisiert worden. Ein Farbschema ist eine Abbildung der anatomischen Zusammenhänge der Gewebestrukturen innerhalb eines Datensatzes. Über eine neu eingeführte GUI-Komponente, den Tissue-Manager, lassen sich vordefinierte Schemata laden, welche dann in Form eines Baum-Menüs Hierarchien anatomischer Strukturen darstellen. Beispielsweise besteht ein Schema ‚Herz’ aus einer Gruppe ‚Muskulatur’ und einer Gruppe ‚Gefäße’. Diese Gruppen enthalten wiederum einzelne Gewebetypen als Unterelemente. Den einzelnen Gewebetyp-Elementen sind bereits Farbtöne, entsprechend der etablierten Farbgebung medizinischer Atlanten, zugeordnet.

Der Benutzer kann nun den Elementen eines Farbschemas klassifizierte Datenwerte zuweisen. Des Weiteren lassen sich durch Benutzerinteraktion Visualisierungsparameter für einzelne Elemente oder ganze Gruppen setzen. Dazu gehört ein Attribut Sichtbarkeit, um irrelevante Gewebetypen teilweise oder komplett auszublenden, sowie der Status Fokus oder Kontext, der es ermöglicht, wichtige Strukturen farblich hervorzuheben. Diese Funktionalitäten sind ebenfalls inspiriert durch Farbgebungstechniken aus dem Bereich der medizinischen Illustration. Sie schaffen die Möglichkeit, die Visualisierung interaktiv anzupassen und so den gewünschten Informationsgehalt beziehungsweise die relevanten anatomischen Strukturen optimal darzustellen.