Navigation in virtuellen 3D-Umgebungen
Die zunehmende Verwendung virtueller 3D-Umgebungen in den verschiedensten Bereichen, wie z.B. Lehr-/Lernumgebungen, Visualisierung, Simulation, Präsentation und Entertainment, wirft gleichzeitig zunehmend das Problem der Orientierungslosigkeit und damit der eingeschränkten Navigationsfähigkeit des Benutzers auf. Die Entwicklung wirksamer und effizienter Navigationskonzepte für virtuelle Umgebungen ist somit zu einem interessanten und wichtigen Forschungsziel geworden.
In den letzten Jahren wurden bereits immer wieder verschiedene Aspekte der Navigation in virtuellen Umgebungen betrachtet. Zusammenfassend ergibt sich daraus, daß eine wirksame und effiziente Navigation im wesentlichen von den folgenden sechs Einflußfaktoren abhängt:
Definition: Virtuelle Umgebungen
Synonyme: Virtuelle Umgebung, Virtuelle Realität, Virtuelle Welten
Definition: "Virtuelle Realität ist eine dreidimensionale, computergenerierte, simulierte Umgebung,
die entsprechend dem Benutzerverhalten in Echtzeit gerendert wird." [Loeffler and Anderson, 1994]
Mögliche Klassifizierung nach [Darken and Sibert, 1993] mit den drei Attributen:
- Größe (z.B. klein, groß und unendlich),
- Dichte (z.B. spärlich, dicht und überhäuft) und
- Aktivität (z.B. statisch und dynamisch).
Vergleichsmerkmale bei der Wahrnehmung virtueller und realer Umgebungen
Raumdimension:
- Entfernung
- Größe, Form & Orientierung der Objekte
- Bewegung
- Orientierung des Betrachters
- Anwesenheitsgefühl des Betrachters
- ....
Benutzerinformationen wie z.B. die Eigenschaften (Alter, Geschlecht etc.), verschiedene Fähigkeiten und Erfahrungen haben zum einen Einfluss auf die Aufgabe bzw. das Ziel, welches der Benutzer in einer virtuellen Umgebung verfolgt, sowie auf die gewählte Navigationsstrategie, welche zur Lösung der Aufgabe bzw. zur Erreichung des Ziels notwendig ist. Zum anderen beeinflussen diese Informationen auch die Gestaltung der Navigations-/Orientierungshilfen sowie die Ausprägung der Bewegungskontrolle.
Die Aufgabe/das Ziel definiert, was der Benutzer in der virtuellen Umgebung erledigen möchte. Die Aufgabe bzw. das Ziel beeinflusst die Wahl von Navigationsstrategien, welche zur Lösung der Aufgabe bzw. zur Erreichung des Ziels benötigt werden.
Navigationsstrategien
beschreiben Konzepte und Strategien zur Navigation durch eine Umgebung.
Navigation
- anhand von Landmarkierungen
- anhand von Koordinaten
- anhand von Geräuschen
- mit Hilfe von Karten
Navigationshilfen
sind Hilfen zur Richtungs- und/oder Positionsbestimmung.
Sie umfassen somit reine Orientierungshilfen (Hilfen, welche ausschließlich zur Positionsbestimmung dienen, wie z.B.
- Karten mit Standortanzeige,
- Koordinaten,
- Identifikationsschilder etc.),
reine Navigationshilfen (Hilfen mit ausschließlicher Richtungsbestimmung wie z.B.
- Kompaß,
- Richtungsschilder etc.)
sowie Kombinationen von beidem (Hilfen mit Richtungs- und Positionsbestimmung, wie z.B.
- Bestätigungsschilder,
- Geräusche,
- Markierungen etc.).
Eine Bewegungskontrolle setzt sich zusammen aus:
- E-Geräte
- Bewegungshilfen
- Interaktions- bzw. Bewegungstechnik
Beispiele für E-Geräte (der Bewegungskontrolle)
2D-Eingabegeräte
- Tastatur
- Mouse
- Joystick
3D-Eingabegeräte
- Spacemouse
- Datenhandschuh
Bewegungshilfen (der Bewegungskontrolle)
Bewegungshilfen
sind Software-Komponenten, welche die Bewegung durch eine virtuelle Umgebung unterstützen.
Wie z.B.:
- Coursor
- Richtungsbutton
- Avatare
- Fahrrad-Lenker (CosmoPlayer)
- etc.
Interaktions-bzw Bewegungstechnik (der Bewegungskontrolle)
Die Interaktions- bzw. Bewegungstechnik legt die Bewegungsmetapher wie 'Gehen', 'Fliegen', 'Beamen' etc. fest, sowie verschiedene Parameter der Bewegung (Interaktion) wie
- Art der Richtungs- und/oder Zielbestimmung
- Art der Geschwindigkeit und/oder Beschleunigung
- Eingabekonditionen
angelehnt an [Bowman et al., 1997]
Qualitätsfaktoren nach [Bowman et al., 1997]
- Erlernbarkeit
- Bedienbarkeit
- Anwesenheit
- Informationsbeschaffung
- Geschwindigkeit
- Genauigkeit
Eigene Arbeiten
Zusammen mit der Fachgruppe 'Mathematik und ihre Didaktik' (Prof. Dr. Hans-Dieter Rinkens & Dorothea Backe-Neuwald) entwickelten wir (Prof. Dr. Gitta Domik & Sabine Volbracht) eine virtuelle Umgebung (das 'Stadtspiel') für Grundschulkinder des 3./4. Schuljahres zur Bearbeitung von Aufgaben aus dem Themenbereich 'Räumliche Orientierung'. Es wurden bereits erste informale Untersuchungen [Brenneisen, 1998] durchgeführt, welche aus Sicht der Informatik in bezug auf Navigationskonzepte interessante Ergebnisse lieferten [Volbracht et al., 1998].
Daraus ergab sich insbesondere die Frage, welchen Einfluß Bewegungskontrollen und Navigationshilfen auf die räumliche Orientierung und damit auf die Navigation von Kindern in virtuellen Umgebungen besitzen.
Um dieser Frage nachgehen zu können wird zur Zeit eine einheitliche Testumgebung entwickelt, welche zum einen eine Auswahl verschiedener Bewegungskontrollen mit kontrollierten Parametern liefert und zum anderen verschiedene Navigationshilfen für virtuelle 3D-Umgebungen anbietet.
Literatur
[Bowman et al., 1997] | Bowman, D.A., Koller, D. and Hodges, L.F.: Travel in Immersive Virtual Environments: An Evaluation of Viewpoint Motion Control Techniques, Proceedings of the Virtual Reality Annual International Symposium 1997 (VRAIS), pp. 45-52. |
[Darken and Sibert, 1993] | Darken, R.P. and Sibert, J.L.:A Toolset for Navigation in Virtual Environments, Proceedings of the ACM User Interface Software and Technology, pp. 157 - 165, 1993. |
[Loeffler and Anderson, 1994] | Loeffler, C.E. and Anderson, T.: The Virtual Reality Casebook, Van Nostrand Reinhold, 1994. |
[Loeffler and Anderson, 1994] | Loeffler, C.E. and Anderson, T.: The Virtual Reality Casebook, Van Nostrand Reinhold, 1994. |
[Volbracht et al, 1998] | Volbracht, S., Domik, G., Backe-Neuwald, D., Rinkens, H.-D.: The 'City Game' An Example of a Virtual Environment for Teaching Spatial Orientation, Journal of Universal Computer Science (J. UCS), Vol. 4, No.4, Springer Science Online, 1998. |