Kin­der- und Ju­gend-ge­rech­tes Vi­su­a­li­sie­rungs-Kon­zept für die rech­ner­ge­stütz­te Psy­cho­the­ra­pie

Masterarbeit von Andre Gärtner

Motivation

Angststörungen gehören bei Kindern und Jugendlichen zu den Störungen mit der höchsten Prävalenz: 10% der Kinder und Jugendlichen erfüllen deren diagnostischen Kriterien. Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) gehört dabei zu den häufigsten Angststörungen. Dies kann schwerwiegende Folgen für das Leben der Kinder und Jugendlichen haben: sie ziehen sich aus dem Alltag zurück, erleiden Flashbacks oder können in der Nacht nicht schlafen. Ein normales Leben ist kaum mehr möglich. Ausgelöst wird die PTBS durch ein traumatisches Ereignis, wie z.B. einen Verkehrsunfall.

Kinder und Jugendliche, die ein traumatisches Ereignis erlebt haben und anschließend an einer PTBS leiden, wird in einer Psychotherapie geholfen. In der klassischen Therapie erfolgt dies durch Gespräche, Bilder und Spiele. Dabei werden die Kinder und Jugendliche wiederholt mit dem angstauslösenden Ereignis konfrontiert, bis eine Verhaltensanpassung beim Patienten zur Reduktion der Symptomatik einer PTBS führt. Die Herausforderung für den Therapeuten besteht darin, die Kinder und Jugendliche mit ihren Ängsten zu konfrontieren aber ihnen dennoch lerntheoretische und psychotherapeutische Konzepte zu vermitteln.

Hier lassen sich Computerspiele einsetzen. Denn von Computerspielen ist bekannt, dass sie den Lernerfolg von Kindern und Jugendlichen steigern: wer spielt beschäftigt sich intensiver mit einem zu lernenden Konzept und nimmt dessen Inhalt eher auf. Soll dieser Effekt auch in der Therapie genutzt werden, dann sind die motivierenden Elemente moderner Computerspiele in einem Therapiespiel umzusetzen: die Herausforderung im Spiel muss gegeben sein und ein Erfolgserlebnis ist zu vermitteln. Gleichzeitig darf die Konfrontation mit dem angstauslösenden Ereignis nicht vernachlässigt werden.

Zielsetzung

Ziel dieser Arbeit ist es, ein Konzept für ein Computerspiel zu entwickeln, das sowohl spielerisch interessant und für Kinder und Jugendliche motivierend ist, aber auch gleichzeitig alle Ziele einer Psychotherapie erfüllt. Therapiekonzepte sollen so auf angenehme Weise erlernt und trainiert werden.

Als Spiel wird das Genre des Rollenspiels eingesetzt. Im Rahmen der Arbeit sind die Elemente und Konzepte einer Therapie auf die Inhalte eines klassischen Rollenspiels abzubilden. Hat ein Kind oder ein Jugendlicher zum Beispiel ein Trauma durch einen Verkehrsunfall erlitten, wird es in der klassischen Therapie stufenweise mit dem Trauma konfrontiert: zuerst durch Erzählungen und Gedanken, dann in Bildern und zuletzt real. Diese stufenweise Steigerung der Herausforderung ist auch im Spiel einzuhalten. Zudem ist aufzuzeigen, wie ein Spiel gestalterisch umzusetzen ist, damit es für Kinder und Jugendliche interessant erscheint.

Anschließend sind Entwürfe für ein computerbasiertes Rollenspiel zu erstellen und durch eine Ablaufbeschreibung und ein Storyboard zu dokumentieren. Das Storyboard und die Ablaufbeschreibung sind in einem Spiel umzusetzen, wodurch die Machbarkeit des Konzepts gezeigt werden soll.

Ergebnis

Ergebnis der Arbeit ist ein Spielkonzept für ein Therapie-Rollenspiel. Dies geht über das ursprünglich geforderte Visualisierungs-Konzept hinaus, allerdings wurde während der Arbeit deutlich, dass dieses nicht unabhängig vom Gesamtspiel zu gestalten ist. Das Spielkonzept umfasst eine Beschreibung der wesentlichen Elemente eines Rollenspiels und erklärt, wie diese im Rahmen der Therapie einzusetzen sind, sowie dessen Wirkung auf den Patienten. Zum Beispiel wurde ermittelt, dass die Konfrontation und die Steigerung der Herausforderung in so genannten Quests - kleine Einzelaufgaben - erfolgt, die Kinder und Jugendliche aber stets indirekt mit dem angstauslösenden Ereignis zu konfrontieren sind. Für die Überführung der Therapiekonzepte auf das Rollenspiel wurden Leitlinien definiert, wie z.B.: „Der Patient baut im Spiel einen starken Avatar auf.“

Das Spielkonzept wurde in einem spielbaren 3D-Rollenspiel umgesetzt, mit dem die wesentlichen Konzepte demonstriert worden sind. Bild 1 zeigt eine Draufsicht auf die virtuelle Welt des Rollenspiels. Sie besteht aus zwei Waldstücken, die für den Patienten sicher sind, und einer virtuellen Stadt, in der die Konfrontation stattfindet.  

Der Patient steuert seinen virtuellen Avatar durch diese dreidimensionale Welt. Bild 2 zeigt die Hauptansicht des Patienten. Wie in einem typischen Rollenspiel zeigt diese die 3D-Welt, den Status des Avatars, eine virtuelle Landkarte und ein Auswahlleiste für Gegenstände im Inventar.

Der Spieler beginnt das Spiel in einem so genannten sicheren Ort, einem Ort, zu dem sich der Avatar jederzeit zur Reflexion und Ablenkung zurückziehen kann (Bild 3a). In den Quests erfolgt die Annäherung des Avatars an die Stadt. Die Quests erhält der Spieler von zwei Questgebern (Bild 3b), die den Spieler auch nach erfolgreichem Abschluss eines Quests belohnen. Eine Belohnung ist zum Beispiel eine Rüstung für den Avatar, durch den dieser gestärkt wird.

Insgesamt konnte durch die Umsetzung des Spielkonzepts in ein spielbares Rollenspiel dessen Machbarkeit und der potentielle Nutzen in der Therapie demonstriert werden. In einem nächsten Schritt sind mehr Handlungsoptionen für den Patienten in das Spiel zu integrieren sowie die virtuelle Welt entsprechend den Therapieverlauf anzupassen.