Prof. Christian Plessl (Lehrstuhl für Hochleistungs-IT-Systeme) und Prof. Thomas D. Kühne (Lehrstuhl für Theoretische Chemie) haben 2018 für ihr Projekt "Green IT: Exakte Berechnungen mit ungenauen, aber energieeffizienten Rechnern" den Forschungspreis der Universität Paderborn erhalten. Ziel dieses interdisziplinären Projekts war es, die Machbarkeit des "Approximate Computing"-Paradigmas für wissenschaftliche Anwendungen zu untersuchen. Die Hauptidee besteht darin, die Fähigkeiten moderner Prozessoren und Hardwarebeschleuniger zu nutzen, um Berechnung mit Näherungen oder niedriger Präzision mit hoher Rechenleistung und Energieeffizienz durchzuführen und die numerischen Ungenauigkeiten durch neuartige, fehlertolerante Algorithmen zu kompensieren. Die durch den Forschungspreis initiierte Forschung hat eine intensive Zusammenarbeit zwischen den beiden Forschungsgruppen begründet und zu mehreren noch laufenden Forschungslinien geführt.
"Unsere Zusammenarbeit und die Kombination von Rechnergestützten Wissenschaften und Informatik war in der Tat sehr fruchtbar", sagt Prof. Kühne. "Wir haben zum Beispiel eine neue Methode zur Berechnung des exakten Wertes physikalischer Größen aus Daten mit Rauschen entwickelt, welches durch Hardware-Beschleuniger verursacht wird und hoch skalierbare, iterativen Algorithmen zur Berechnung approximativer Matrixfunktionen für linear skalierende Elektronenstrukturberechnungen entwickelt.
Erste Ergebnisse aus dieser Zusammenarbeit sind bereits in ein Übersichtspapier zum CP2K eingeflossen, das gerade im Journal of Chemical Physics erschienen ist:
TD Kühne et. al. "CP2K: An electronic structure and molecular dynamics software package - Quickstep: Efficient and accurate electronic structure calculations", J. Chem. Phys. 152, 194103 (2020); doi.org/10.1063/5.0007045
Die Kompensation des durch Näherungen eingeführten numerischen Rauschens durch eine modifizierte Langevin-Gleichung wurde ebenfalls kürzlich veröffentlicht:
V Rengaraj, M Lass, C Plessl, TD Kühne. "Accurate Sampling with Noisy Forces from Approximate Computing", Computation 8, 39 (2020); doi.org/10.3390/computation8020039
Prof. Plessl beleuchtet die Aspekte der Informatik: "Die Algorithmen, die wir entwickelt haben, verwenden nicht nur das Approximate Computing-Paradigma, sondern sind auch hoch skalierbar und für massiv-parallele Verarbeitungsarchitekturen, insbesondere FPGAs und GPUs, optimiert. Die Ergebnisse zeigen, dass wir trotz der inhärenten Approximationen Ergebnisse mit chemischer Genauigkeit erzielen können. Tatsächlich machen wir uns die Näherungen zu eigen, um eine höhere Energieeffizienz der Berechnungen zu erreichen, und werden diesen vielversprechenden Weg fortsetzen".
Der massiv parallele, approximative Algorithmus zur iterativen Berechnung von Matrixfunktionen wurde letztes Jahr auf der PASC-Konferenz vorgestellt, und die Integration in CP2K mit Erweiterungen für GPU Tensor-Cores und anwendungsspezifische FPGA-Beschleuniger wurde gerade als Preprint veröffentlicht:
- M Lass, S Mohr, H Wiebeler, TD Kühne, C Plessl. "A massively parallel algorithm for the approximate calculation of inverse p-th roots of large sparse matrices.", In Proc. Platform for Advanced Scientific Computing Conference (PASC). ACM, 2018;doi.org/10.1145/3218176.3218231
- M Lass, R Schade, TD Kühne, C Plessl. "A Submatrix-Based Method for Approximate Matrix Function Evaluation in the Quantum Chemistry Code CP2K", arxiv.org/abs/2004.10811
- D Richters, M Lass, A Walther, C Plessl, TD Kühne. "A General Algorithm to Calculate the Inverse Principle p-th Root of Symmetric Positive Definite Matrices.", Commun. Comp. Phys. 25, 564 (2019); doi.org/10.4208/cicp.OA-2018-0053
Die Implementierung der entsprechenden Methoden wurde in die weit verbreiteten Open-Source-Projekte CP2K (www.cp2k.org) und DBCSR (www.cp2k.org/dbcsr) integriert. Das Paderborn Center for Parallel Computing (PC²) trägt mit Code Review und Optimierung, der Bereitstellung einer Infrastruktur für Benchmarking (www.cp2k.org/performance) und Regressionstests (dashboard.cp2k.org) weiter zu diesen Bemühungen bei.
Diese neueren Arbeiten zu Methoden und Bibliotheken für die Elektronenstruktur-Theorie tragen dazu bei, die Universität Paderborn und das PC² als bundesweites Kompetenzzentrum für "atomistische Simulationen" weiter zu etablieren und leisten einen wichtigen Beitrag zu weit verbreiteten Elektronenstruktur-Codes und Bibliotheken. Neben CP2K haben Forscher der Universität Paderborn und des PC² auch an anderen atomistischen Simulationscodes mitgewirkt, wie z.B. Quantum ESPRESSO, CP-PAW, ls1-mardyn, ms2 und i-Pi, um nur einige zu nennen. Um das Ökosystem der atomistischen Simulationen zu fördern und Nachwuchswissenschaftler*innen auszubilden, bietet PC² spezialisierte wissenschaftliche Beratung und Ausbildung an (siehe pc2.uni-paderborn.de/teaching/trainings/hpc-user-trainings/ für kommende Veranstaltungen).